Als wir vom obligatorisch großen Samstagseinkauf zurück waren und in der Küche meiner Eltern standen und die Sachen einräumten, ging mir eine israelische Apfelsine flöten, aus der Gegend um Haifa. Sie plumpste zu Boden und rollte in den Flur, saftig und trickreich, wie auf der Flucht vor Palästinensern. Wie eine Zirkusorange.
Kurz darauf im Esszimmer, Flöten gehen Teil 2.
Ich wollte die Hör Zu, die meine Eltern schon seit Jahr und Tag abonniert hatten, vom Sideboard ziehen, was auch gelang. Kein Problem. Hat man ja von Kindesbeinen an gelernt, eine Zeitschrift vom Tisch zu ziehen, und sowohl Zeitschriften wie auch Möbel sind dafür wie gebaut. Dummerweise rutschte dabei ein unter der Programmzeitschrift liegendes Handy unbemerkt mit übers Möbelstück und fiel scheppernd zu Boden. Das Handy lag da und zeigte sein Innenleben, das mir reichlich schlicht vorkam. Wenn mir vorher jemand gesagt hätte, so sieht ein Handy von innen aus, ich hätte gesagt: ja klar, und mein Kopp is auch leer, du dumme Sau.
Ich war baff. Ich wusste nicht, wem das Telefon gehören sollte, und es schien auch niemand mitgekriegt zu haben, dass es zu Boden gegangen war. Die Gräfin und meine Eltern waren noch in der Küche und unterhielten sich, als plötzlich Marita angelaufen kam, die portugiesische Zugehfrau, die jeden zweiten Samstag die Wohnung meiner Eltern putzte. Sie hatte Geschepper gehört.
"Oh no! Mein Handy!"
Sie bremste vor mir ab, eine kleine Person, den feuchten Wedel wie einen Knüppel schwingend, ein erbostes Reh aus der Gegend von Porto, da, wo die strebsamen Portugiesen herkommen.
"Hallo", sagte ich, wir hatten uns an diesem Tag noch nicht gesehen.
Marita, alles andere als eine strebsame Putze, der Reinlichkeit über alles ging - im Gegenteil, sie war eher langsam und träge und beim Putzen oberflächlich, was jedoch im Kreise der Familie niemanden daran hinderte, sie weiterzuempfehlen, von einem zum anderen, (es lag an ihrer Verschwiegenheit, ihrer ehrlichen und aufrichtigen Art) - Marita also schaute betreten zu Boden, unfähig, das Handy aufzuheben.
"Is bestimmt kaputt", jammerte sie.
"Ach was, halb so schlimm", sagte ich und schlug einen versöhnlichen Ton an. "Das kriegen wir wieder hin."
Tatsächlich hatte ich keine Ahnung, wie so ein Ding funktioniert. Ein Smartphone. Weder wie es Signale empfängt und aussendet noch warum man damit Fotos machen oder es als Taschenlampe benutzen kann. Als die ersten Freisprecheinrichtungen auf den Markt kamen, wunderte ich mich, warum so viele Leute, die mir begegneten, plötzlich laute Selbstgespräche führten. Alles sabberte so selbstverständlich in die eigene Tasche, als wäre es niemals anders gewesen. Ich jedoch konnte mich ziemlich gut an andere Zeiten erinnern, was dazu führte, dass ich mich alt und nutzlos fühlte.
Nachdem ich das Handy endlich vom Boden aufgehoben hatte, glitschte es mir aus Versehen (ich schwöre!) direkt (nochmal) aus der Hand: es war ein schwülheisser Tag, die Atmosphäre schlüpfrig bis in die Fingerspitzen.
"OH MEIN.. HANDY!!"
Marita blickte mich an, als käme ich direkt aus einem Horrorfilm, wo die schlimmste Albtraumszene des ganzen Films mit meiner Fresse in Nahaufnahme besetzt worden war. Ich war ein zutiefst böser Mann in ihren Augen in diesem Moment. Ich kam mir richtig gefährlich vor. Ein Subjekt, das zweimal kurz hintereinander das Runterfallen ihres neuen Smartphones zu verantworten hatte.
Endlich nahte Hilfe. Die Gräfin, sie kam aus der Küche und sah die Bescherung. Ich, das Handy in Einzelteilen in der Hand, und Marita knallrot vor Aufregung.
"IS KAPUTT!"
Sie beruhigte Marita und nahm sich der Sache an. In aller Seelenruhe setzte sie das Gehäuse wieder zusammen, Stück für Stück, und nach Eingabe der PIN-Nummer, die Marita zum Glück im Portmanee fand, war die Elektronik des Handys wieder da. Es blinkte wie ein neugeborenes Digitalfohlen und machte Männchen. Meldung.
Erst war Marita superfroh, erleichtert geradezu. Sie hatte schon befürchtet, ihr Ehegatte würde sie vom Deutschen Hof jagen, sollte sie mit einem deformierten Samsung Galaxy heimkehren. Das hatte die Gräfin glücklicherweise abwenden können, doch Miss Porto blieb misstrauisch, mir gegenüber. Ihr Herz zürnte nach.
Nach getaner Arbeit vergrub sie das Handy tief in ihrer Handtasche, in der Gegend von Porto, und fuhr rasch heim.
Wir auch.