"Verfluchter Mist! Wie konnte das passieren! Eben hat der Scheißwecker es noch getan! Wieso bleibt er schon wieder stehen? Versteh ich nicht! Ich mein, ist meine Kunst denn so.. schlecht? Liege ich so daneben? Lauf, mein Schatz, komm.. nun LAUF!! DU SOLLST LAUFEN, HERRGOTT NOCH MAL!"
Da sie der Feuchtigkeit im Bad die Schuld gab, dass er wieder den Dienst versagte, bearbeitete sie den Wecker versuchsweise mit dem Sportföhn - umsonst. Es war ein mystischer, laut tickender, gelegentlich unrund laufender Wecker, den wir vor Jahren auf dem Flohmarkt erstanden hatten. Er tickte so laut und aufdringlich, als wäre er in einem historischen Moment der Siebzigerjahre gebaut worden, als Pink Floyd Money einspielte oder Time, ich weiß nicht mehr genau, in einem Billigstudio für populäre Reisewecker im schönen Taiwan.
"Vielleicht muss die Zeit ab und zu auch stehen bleiben, sonst weiß man sie nicht zu würdigen, die Zeit, die uns bleibt. Außerdem, wir haben ihn nicht auf dem Flohmarkt gekauft, sondern im Woolworth. Weisst du nicht mehr? Weil wir den fußballspielenden Braunbär auf dem Ziffernblatt schön kitschig fanden."
Ach richtig, so war das gewesen. Jedenfalls, er tickte so nervend laut, dass er am nächsten Morgen ins Bad evakuiert wurde. Da die Sekunden in der kleinen Waschzelle aber noch lauter, noch aufdringlicher, noch klaustrophobischer verrannen, nahm ich die Batterie heraus und legte ihn still. So stand der Wecker Jahr um Jahr auf dem Spülkasten, ohne was im Bauch, und tat nichts. Rein gar nichts. Stand nur da rum. Ein nutzloses Teil, meiner Meinung nach. Mein Kunstwecker, hielt sie dagegen.
Denn eines Tages, so die Legende, begann der Wecker wieder zu ticken. Von ganz allein. Urplötzlich. Ohne Batterie. Powerten sie wieder brachial dahin, die Zeiger. Seither war dieser kleine Wecker unantastbar geworden. Er war ihr Gebieter. Ihr spiritueller Gradmesser. Er zeigte ihr an, wie es um ihre Kunst bestellt war, sagte sie. Man müsse bloß hinhören.
"Der macht, was er will. Wenn er anhält, bin ich zu weit weg von meiner Kunst. Wenn er vorgeht, forciere ich zu sehr. Im übrigen muss ich nicht die Sommer- und Winterzeit einstellen, das macht er von ganz allein."
Dass sie für diesen Service wieder eine Batterie einlegen musste, nahm sie hin - geschenkt. Der muss ja auch mal was essen, der kleine Kunstwecker. Mal was zu beissen kriegen. Logisch. Dass er aber auch mit Batterie wieder schwere Aussetzer hatte, etwa als sie gerade ein bombiges Bild auf der Staffelei hatte, mit dem Arbeitstitel Tête-à-têtemit der Restzeit, das setzte ihr aber doch zu.
"Das ist ein schlechtes Omen. Was will er uns damit sagen?"
"Ich geh euch auf den Sack, will er uns damit sagen."
