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Channel: Vom räudigen Leben, der Wucht & dem Nimbus
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Die besten Partys

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Die besten Garten-Partys waren die, wo im Laufe des Abends die Musik ausfiel und niemand bekam es mit. Die Grüppchen mischten sich neu, Gelächter war zu hören, das Knistern von Lagerfeuer. Dazu leichte Bierkleidung und eine flapsige Bemerkung auf der Tasche, die bei Frauen gut ankam, nicht aber bei den Typen, die der Konkurrenz zugerechnet werden mussten, fuck! Warum ist mir das nicht eingefallen? Tja, Junge. Das falsche gekifft, nicht genug gesoffen, schon bist du draussen. Andererseits: ne Spur zu dick aufgetragen, und der ganze Charme ist dahin. It's a thin line between love and hate.

Es war ungefähr 23 Uhr 20, als die HiFi-Anlage mit einem Riesenknall den Geist aufgab. Alle wussten sofort Bescheid: Das Ding ist gelaufen. Nichts mehr zu machen. Verstärker im Arsch, Boxen durchgebrannt, Kabelfraß, irgend so was. Und die Datscha war so weit ab vom Schuss, dass erst gar keiner auf die Idee kam, auf die Schnelle Ersatz zu besorgen. Keine Musik für den Rest der Nacht, fertig, aus. Der letzte Song, der vor dem Knall gespielt worden war, kam von Grace Jones oder Amanda Lear oder Romy Haag, irgendeinem Zwitterwesen der Disco-Ära, bei denen man nie wusste, sind das wirklich Frauen oder haben die doch einen Sack oder eventuell das ein oder andere Ei.

Später trieb Franky eine Klampfe auf, eine Country & Western mit straightem Rio Grande-Sound, andere trommelten auf Blechbüchsen und einem leeren dash-Eimer. Kurz flammte sogar ein selbstgeschnürter Stand-Bass auf, doch kaum kamen die Leute näher und schnippten mit, rissen die beiden alten Klaviersaiten und der halbe Bass war dahin.

Die Party-Datscha lag so tief in den Wupperbergen, die Leute taten sich schwer mit der Orientierung, hatten Probleme, das Häuschen zu finden. Gastgeber Franky streute vom Parkplatz eine Spur weißer Kieselsteine aus, original wie bei Hänsel und Gretel ging es immer dem schmalen, von Brennesseln und mannshohem Farnkraut umsäumten Pfad entlang.

Was Franky nicht ahnen konnte: schon bald nach Einsetzen der Dämmerung hatten sich Scherzbolde daran gemacht, sämtliche Steinchen einzusammeln und verschwinden zu lassen. So kam es, dass Partyleute trotz des hellen Vollmonds den Weg zurück zum Parkplatz nicht fanden und zugekifft in der Pampa herumirrten.

Ca. 10 hilflose Personen im Forst zwischen Unterburg und Müngsten meldete der Polizeifunk, doch den Besatzungen der Streifenwagen fehlten exakte Anhaltspunkte, wo die Suche losgehen sollte, so blieben die Leute sich selbst überlassen. Aber zu diesem Zeitpunkt waren die Gräfin und ich längst über alle Berge. Was den Zeitpunkt betraf, eine Party zu verlassen, die den Zenit gerade überschritten hatte, verfügte ich schon immer über ein fühlendes Händchen.

Ich sagte niemals tschö, wenn ich eine Party verliess, das hatte ich mir von den Hunden abgeguckt. Die sagen auch nicht tschö, wenn sie sich verabschieden. Die drehen sich um und machen sich vom Acker.

“Das war's”, meinte ich in dem Moment zu ihr, als der provisorische Stand-Bass gerissen war, “komm, die Show ist vorüber.”


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