Ich schlug die Augen auf, es wurde gerade hell. Mein Schädel fühlte sich an wie ein leckgeschlagenes Kraftwerk. Es pfiff und flapperte, doch ich konnte den Ton nicht lokalisieren. Es kam von überall.
"Kannst du das endlich mal abstellen?"
Die Frage kam von einer Person neben mir. Einer Frau. Au Scheisse.. das Burgfräulein. Ich hatte es wieder getan. Schlimmer noch: Wie zum Teufel konnte sie das Geräusch hören - in meinem Schädel?? Was war hier los? Hatte ich mich endgültig bekloppt gesoffen?
Erst als ich den Kopf hob, um zu sehen, woher das Geräusch kam, streifteein Windzug mein Gesicht und ich kapierte, dass es nur der kleine Tisch-Ventilator war, der seine Runden drehte. Das Ding musste die ganze Nacht gelaufen sein.
Nachdem ich den Ventilator ausgestöpselt hatte, legte ich mich gleich wieder hin, den Bierschädel wegpennen.
Beim nächsten Wachwerden war es Mittag. Der Platz neben mir war leer. Aber sie war nicht weg. Ihre Klamotten lagen im ganzen Zimmer verstreut. Erst jetzt hörte ich aus dem Bad das Prasseln der Dusche, und das Läuten des Telefons. Ich wollte im Bett bleiben, hatte keine Lust aufzustehen, aber es läutete und läutete und hörte nicht auf. Wieso ging Karlos nicht ans Telefon?!
Ich mühte mich in die Küche. Lena war am Apparat. Damit hatte ich nicht gerechnet.
"Ich hab dich gestern kurz in der Stadt gesehen, vom Auto aus.. Du hast ja die Haare ab."
"Schon seit ein paar Tagen", räusperte ich mich.
"Du siehst aus wie ein entflohener Sträfling."
"Findest du? Mir gefällts."
"So..? Mir nicht. Gehts dir so schlecht?"
"Schlecht..? Wieso schlecht? Nur weil ich die Haare ab hab..?"
"Naja, du weisst schon.. wegen uns meine ich. Willst du dich damit selbst strafen? Dass du wie im Gefängnis rumläufst.."
"Ach, jetzt hör schon auf. Ich hab mich beschissen benommen, im Nordpol letzte Woche, das tut mir leid, aber ich komm schon klar. Mir gehts.. nicht schlecht."
"Na, wenn du meinst.."
Wir redeten noch ein bisschen, dann war das Gespräch plötzlich beendet. Ich saß verkatert am Küchentisch und beobachtete eine kleine Stubenfliege, die den Geschirrhügel auf der Spüle als Startrampe nutzte, um zum Gleitflug durch unsere Küche anzusetzen.
Das Burgfräulein kam aus dem Bad, ein Handtuch um die Hüfte gewickelt. Sie sah aus wie Nofretete, nur gemästet. Und was war das für ein Handtuch? War das von Karlos? Oder brachte sie ihr eigenes Handtuch mit, wenn sie sich abends im Mumms stellte und abschleppen liess? Ich mochte meine eigenen zynischen Gedanken nicht, aber hier waren sie in meinem Bierkopf und wurden gedacht.
"Hallo", sagte ich.
"Morgen."
Sie dampfte noch.
"Sag mal, wer von euch beiden trinkt denn beim Baden Kaffee?" fragte sie schüchtern, weil auf der Ablage neben der Toilette eine verkrustete Kaffeetasse herumstand.
"Der Karlos", antwortete ich, "allerdings beim Scheissen."
Das Burgfräulein ging durch in mein Zimmer und zog sich an. Ihr dicker Hintern gefiel mir nicht.
"Du bist komisch", sagte sie, als sie sich zu mir an den Tisch setzte und einen Kaffee trank. "Genau wie eure Brause. Mal ganz heiß, mal eiskalt. Und der Strahl ist viel zu hart."
Weil sie Wochenenddienst hatte, musste sie los. Sie arbeitete als Kinderkrankenschwester. Sie hatte mir komische Dinge erzählt, von denen ich nicht wusste, was ich davon halten sollte. Etwa dass alle Babys weiß zur Welt kämen, auch schwarze.
"Sehen wir uns die Tage..?"
"Ich ruf an", sagte ich.
"Hast du denn meine Nummer?"
Es wäre ein perfekter Moment für Auftritt Karlos gewesen, so früh am Tag, Haupttribüne, aber es rührte sich nichts. In seinem Zimmer blieb es grabesstill.
"Deine Nummer, ich.. also..."
Sie drehte sich nicht mal um und zog die Wohnungstür zu.