Soeben hatte die Turmuhr zwölf geschlagen. Ich schmorte unterm Neonlicht der Rezeption und wartete auf die drei Herren vom Bundeskriminalamt. Das Trio hatte die Dienstlimousine auf Parkdeck Rot geparkt und war nun mit dem Lift unterwegs in den 11. Stock. Ich hatte mir die Zimmerschlüssel samt Anhänger schon parat gelegt, hübsch nebeneinander. Sie trugen die Nummern 10, 15, 19.
Meine Fürsorge war eher ungewöhnlich, das war eigentlich nicht meine Art. Da aber das Gästeaufkommen im Turm-Hotel an diesem Wochenende eher dürftig war, hatte ich mir aus Langeweile einen Stickie geraucht, eine kleine Marihuana-Kippe. Gutes Kraut. Nicht dieser chemische Pfusch aus holländischen Krafthäusern, sondern eine einheimische Balkon-Züchtung. Merkmal: schwere Pattex-Rotze (trockener Mund) und ein Satz roter Augen, allergisch gegen jegliches Neonlicht.
Tatsächlich handelte es sich um eine Sorte namens Amnesia. Drei fette Stauden, die mein alter Freund Selle gezüchtet hatte, so hoch wie bis zur Decke. Es roch wie im Dschungel auf seinem Balkon, als ihm kurz vor der Ernte ein Mißgeschick unterlaufen war. An einem heißen Tag hantierte er mit bloßem Oberkörper an den Pflanzen herum, wollte nur etwas zuschneiden und Pflege betreiben, geriet dabei aber mit den schweren reifen Blüten in Hautkontakt. Tagelang juckte und brannte sein Leib, als hätten sich dort hunderttausend Feuerameisen ein Stelldichein gegeben, er leuchtete eine ganze Woche lang wie ein fangfrischer Hummer.
Der Aufzug hielt an. Ich hörte Männerstimmen und Kriminalkommissarbeine, schneller Schritt.
"N'abend die Herren."
"N'abend", sagte das BKA-Trio.
Obwohl die Jungs schon vierzehn Tage in der Stadt waren und ich sie gut auseinanderhalten konnte, machte ich bei der anschliessenden Herausgabe der Zimmerschlüssel so ziemlich alles verkehrt, was ein bekiffter Nachtportier bei der Herausgabe von Zimmerschlüsseln verkehrt machen kann. Die drei Schlüssel lagen zwar so hübsch nebeneinander aufgefächert auf dem Tresen, dass die Herrschaften sich mühelos hätten selbst bedienen können - und die Welt wäre weiterhin relativ rund und in Butter geblieben - aber nein, ich musste ja unbedingt jedem einzelnen Beamten seinen scheiss Zimmerschlüssel persönlich in die scheiss Hand drücken, und warum? Nur weil ich ein bisschen zu viel Gras im Kopf hatte und meinte, unbedingt den Freundlichen raushängen lassen zu müssen.
"So, dann wollen wir mal.. der hier ist für den Herrn Brink, Zimmer 15", plapperte ich drauflos und reichte den ersten Schlüssel rüber, so schwungvoll, als würde ich mit drei zurückgebliebenen Kindern aus der Nachbarschaft Stundenhotel spielen.
"Hallo..? Ich bin Brink, soweit richtig, aber ich hab Zimmer 19, nicht 15", hielt der Beamte dagegen, schon leicht verstimmt.
"Oh, richtig. Gut, die 19 für Sie, Herr äh Brink. Dann ist der.. hier für Sie.., Herr äh.."
Ich reichte den Schlüssel mit der Nummer 15 auf dem Anhänger rüber.
"Ich hab Nummer 10..!"
"Natürlich! Die 10! Der Herr Witteck."
"Wittemack!"
"Ja, genau. Herr Wittmack."
"WITTEMACK!"
".. Wittemack. Die 10, hier! Dann.. fehlt noch Zimmer 15."
"Danke, ich hab meinen Schlüssel bereits genommen."
"..ach ja!? Na, denn sind ja alle bedient."
Komplett plemplem von der künstlichen Sonne über und in mir hatte sich auf meiner Stirn eine feuchte Landschaft gebildet. Ich wischte da mal besser ordentlich durch, mit dem Hemdsärmel. So, schon besser. War sonst noch was? Ehrlich gesagt, das Trio des BKA vermittelte nicht gerade den Eindruck, als wäre die Situation damit bereinigt. Wollten die Jungs etwa eine grüne Plapper-Minna anfordern, extra für mich? Wollte man mich aus dem Weg räumen?
Panik stieg in mir hoch, Fluchtreflexe wurden ausgelöst: bloß raus hier! Zum Glück erinnerte ich mich an eine alte Kifferweisheit: Bevor du schreiend aus dem Haus rennst, erstmal schauen, was im Keller los ist.
"Ich möchte noch den Weckruf ändern", sagte Zimmer 19, Kommissar Brink. "Und zwar für uns alle drei. Kriegen Sie das hin?"
Ich nickte, und zwar von oben nach unten einmal durch.
"Dann schieben Sie uns doch bitte alle eine halbe Stunde nach hinten."
Sein Blick verriet Skepsis auf höchstem Niveau: Ob der Nachtwächter das geregelt kriegte? Vermutlich hätte er mir sowieso lieber die Taschen gefilzt, so bräsig-behascht wie ich aus den Augen guckte. Das war aber auch hell in der Hotellerie hier! Meine Herren!
Während die 19 noch stehen blieb und beiden Zimmer 10 und 15 schon eilig den Flur hinabstiefelten, "Gute Nacht!", suchte ich die Weckliste, um die Weckrufzeiten zu ändern. Ah, da war sie ja schon. Allerdings wusste ich gleich im Anschluss schon nicht mehr, was ich gesagt oder doch nur gedacht hatte.
"Da haben wir sie ja!" wiederholte ich sicherheitshalber.
"Ja. Das sagten Sie bereits", sagte die 19.
Mit routiniertem Blick auf die Weckliste erkannte ich, dass die drei Beamten zu drei verschiedenen Zeiten eingetragen waren, dabei war ich davon ausgegangen, dass alle zur gleichen Uhrzeit aufstehen wollten, um den Kriminalfall endlich zum Ende zu bringen. Da auch Herr Brink von Zimmer 19 mittlerweile den Weg den Flur runter angetreten hatte, rief ich ihm hinterher:
"...ZIMMER 15 ÄNDERE ICH ALSO VON VIERTEL NACH SIEBEN AUF VIERTEL VOR ACHT, ZIMMER 10 VON HALB ACHT AUF ACHT UND ÄHH DIE 19 VON VIERTEL.."
"Jaja! Schon gut!"
Die Tür fiel beleidigt ins Schloss.
Wenig später war ich es, der verstimmt dreinblickte, hörte ich doch, wie in den benachbarten drei Zimmern gleichzeitig die eingebauten Radiowecker gestellt wurden, es heulte nämlich dreimal kurz hintereinander der Probe-Alarm auf. Die setzten irgendwie kein Vertrauen mehr in mich, die Herren vom FBI.