Mir persönlich gefallen Leute, die vom Klo kommen, besser als Leute, die frisch beim Frisör waren. Da heiÃt es vorsichtig sein, bei einer Frisur wie Robinson Crusoe auf Dienstfahrt, mit Vollbart und Uppercut. Höchste Vorsicht allerdings, sogar allerhöchste Vorsicht ist geboten, wenn dir eine Sachbearbeiterin gegenübersitzt, sittsam, im Faltenrock, mit dicken Knien. Die kannst du vergessen. Die macht nur Ãrger. Dagegen geht die hier ja noch. Ist sogar ganz niedlich. Bis auf die Knie vielleicht.
ÂWas kann ich für Sie tun?Â
Während ich mein Anliegen kurz erläutere, stiert sie routiniert auf den Bildschirm. Sie hat ein Kaugummi in Arbeit. Oder Reste vom Frühstück. Knusper, knusper. Die soll sich bloà vorsehen. Mich haben schon ganz andere Kaliber nicht bemerkt. Und hinterher ist das Geschrei groÃ!! Dabei bin ich heute ganz besonders reizend gekleidet. Ein Geschenk für die Damenwelt. Eine Offerte. WeiÃes Hemd, frisch gewaschen, dazu die dunkelgrünen Jeans, die mir mein jüngerer, gutverdienender Bruder überlassen hat, nachdem er Vater geworden ist von zwei Buben und zwanzig zusätzlichen Kilogramm. Der passt da nicht mehr rein in die grüne Hose.
ÂHe, Glummi! Was siehst du so schick aus? hat am Morgen schon ein Bekannter gerufen, er war auf der anderen StraÃenseite. ÂGerichtstermin?Â
ÂNee. AOK.Â
Ich brauche neue Zähne. Einen ganzen Satz. Eine Brücke. Venezianisch vielleicht? Modell Rialto mit kleinen Kunststoff-Gondolieri, die im 6/8-Takt durch die Backen gondeln und Touristen aus Ãbersee europäische Zahnheilkunde präsentieren: ÂLinke Seite siehte man alte dicke Backezahn, stehte unter Denkemaleschutz, auch wenne scho halb kaputt.Â
ÂHerr Glumm..? (Räuspern.)
ÂMh..?Â
ÂSagen Sie, haben Sie ihre Mitgliedskarte dabei?Â
ÂJa, natürlichÂ, sag ich und reiche das Kärtchen rüber.
Jedes Mal, wenn die Sachbearbeiterin aufsteht und zum Kopierer geht, sie ist trotz Pumps kaum grösser als eins Sechzig, streicht sie ihren Rock glatt. Das ist auch der Grund, warum ich die Unterlagen nur stoÃweise und nach und nach herausrücke. Damit ich was zu sehen kriege für mein Geld.
Welches Geld eigentlich?
ÂDie Karte brauche ich aber zurückÂ, sage ich mit Nachdruck.
ÂNatürlich, die kriegen Sie ja auch zurück."
Sie blickt griesgrämig in den Raum und streicht sich beim Weggehen den Rock glatt. Ich verfolge ihre Beine. Ihren Gang. Von wegen, man soll seinem Gegenüber zuerst in die Augen blicken. Oder auf die Hände. Den Hintern. Oder hier, die Titten. Was auch immer. Alles Humbug. Entscheidend ist allein der Gang. Am Gang sollst du sie erkennen.
Die Gräfin hat mal bemerkt, ich würde beim Gehen meine O-Beine in die Welt werfen, als wären es Sensen, die hohes Gras suchen, um darin Unfrieden zu stiften. Oder eine Revolution anzuzetteln. Oder was anderes. Hauptsache was mit Zetteln. Das kann schon sein. Man selber weià es ja nicht. Man geht eben. Man macht einen Schritt und dann noch einen. Woher soll man da wissen, wie das von AuÃen aussieht.
ÂDeine Beine gehören auf die ErdeÂ, sagt sie. ÂDass du mit Raumschiff Enterprise und Käptn Kirk nie was anfangen konntest, wundert mich nicht. Du bist kein Typ für Science Fiction. Und: ÂIn Zukunft wird sich die Menschheit aufteilen. Da sind die einen, die auf der Erde bleiben wollen, um unsere Schöpfung zu bewahren, das sind die Konservativen. Und die anderen schippern ins Universum, besiedeln einen Planeten und fangen noch mal bei null an, das sind die Revolutionäre", sagt sie. "In Zukunft muss sich jeder Mensch entscheiden, zu welcher Gruppe er gehören will. Ich will zu den Sternen.Â
ÂIch bleib hierÂ, sag ich.
Die kleine Sachbearbeiterin dagegen hat sich noch nicht entschieden. Sie geht nicht durch die Welt, nein, sie rollt auf nudeldicken Knien durch das GroÃraumbüro der Ortskrankenkasse. Aber die Gelassenheit, mit der sie keine Minute später zurückkommt und in ihren Drehstuhl fällt  ich muss schon sagen, für eine Sachbearbeiterin, allerhand.
An den hinteren Service-Tischen telefoniert eine andere AOK-Tante in einer Lautstärke, man kriegt jedes einzelne Wort mit. Ihr Gesicht, länglich und viereckig wie ein Besteckkasten, ist mir schon beim Reinkommen aufgefallen - es kam mir irgendwie bekannt vor. Als hätte ich mir da heut Morgen schon ein Messerchen rausgeholt, aus dem Besteckkasten. Fürs Frühstück.
ÂBITTE..? WAS WOLLEN SIE..??! ruft die Mitarbeiterin entgeistert in den Telefonhörer. Die Person am anderen Ende der Leitung scheint eine renitente Person zu sein. ÂSIE WOLLEN GELD, KLAR. DAS WOLLEN ALLE, DIE HIER ANRUFEN, LOGISCH. ABER WELCHES GELD WOLLEN SIE?Â
Fast könnte man glauben, der Anruf käme von einem der drei stadtbekannten Rocketta-Brüder: einfach mal bei der lokalen Krankenkasse anklingeln und nach ein paar Scheinchen fragen. Kann ja nicht schaden.
ÂWIE BITTE?! WAS WOLLEN SIE, FLIEGERGELD?? WAS SOLL DAS DENN SEIN Â FLIEGERGELD!?Â
Meine persönliche Sachbearbeiterin, die mit den Knien, die gerade Zahlenkolonnen eintippt, die irgendwie mit mir zu tun haben, schaut sich neugierig zur Kollegin um. Die tippt sich wiederholt an die Stirn, für alle Anwesenden gut sichtbar. Ihr Mund formt tonlos das Wort FLIEGERGELD. Plötzlich drückt sie ihr Kreuz durch.
ÂMOMENT.. ODER MEINEN SIE ETWA PFLEGEGELD?! NATÃRLICH! SIE BRAUCHEN PFLEGEGELD! ICH VERBINDE..Â
Während ich fast Beifall bekunden möchte, so froh bin ich, dass sich die Sache zum Guten gewendet hat, scheinen andere anwesende Versicherte der Ortskrankenkasse von dem ganzen fernmündlichen Disput kaum etwas mitgekriegt zu haben, man ist zu sehr ins eigene Leid verstrickt.
ÂFräulein, mir geht es nicht gut. Ich habe die Seuche.Â
Meine Sachbearbeiterin schmunzelt. Ihr kleiner, aber voluminöser Mund schiebt sich in die Breite, als wäre er ein Schiffchen, das in die Welt will. Ehrlich gesagt, mir egal. Hauptsache, meinem Antrag auf Kostenübernahme wird soweit entsprochen.
ÂWann ist die Kohle auffem Konto? frag ich.
ÂWird noch heute angewiesen.Â
Super Sache.
ÂDarf ich dann noch um das Bonusheft bitten? fragt sie, ohne den Blick zu heben.
ÂDas.. Bonusheft? Ich wusste es, der Pferdefuà kommt noch.
ÂJa, Bonusheft. Für die letzten Jahre. Haben Sie es nicht dabei?Â
Es gibt Antworten, auf die muss selbst eine Sachbearbeiterin der Ortskrankenkasse lange warten, doch wenn sie dann kommt, schwingt sie einem entgegen wie ein dampfendes Weihrauchgefäà im Dom, eine wahrhaft kathedrale Antwort.
ÂNee.Â
Beim Rausgehen klapse ich mir ungezwungen auf den Hintern. Soll die Tante ruhig sehen, was sie verpasst hat: einen schönen männlichen Körper, der ein einziges klitzekleines Manko hat: dass ich es bin, der drinsteckt.
ÂWas kann ich für Sie tun?Â
Während ich mein Anliegen kurz erläutere, stiert sie routiniert auf den Bildschirm. Sie hat ein Kaugummi in Arbeit. Oder Reste vom Frühstück. Knusper, knusper. Die soll sich bloà vorsehen. Mich haben schon ganz andere Kaliber nicht bemerkt. Und hinterher ist das Geschrei groÃ!! Dabei bin ich heute ganz besonders reizend gekleidet. Ein Geschenk für die Damenwelt. Eine Offerte. WeiÃes Hemd, frisch gewaschen, dazu die dunkelgrünen Jeans, die mir mein jüngerer, gutverdienender Bruder überlassen hat, nachdem er Vater geworden ist von zwei Buben und zwanzig zusätzlichen Kilogramm. Der passt da nicht mehr rein in die grüne Hose.
ÂHe, Glummi! Was siehst du so schick aus? hat am Morgen schon ein Bekannter gerufen, er war auf der anderen StraÃenseite. ÂGerichtstermin?Â
ÂNee. AOK.Â
Ich brauche neue Zähne. Einen ganzen Satz. Eine Brücke. Venezianisch vielleicht? Modell Rialto mit kleinen Kunststoff-Gondolieri, die im 6/8-Takt durch die Backen gondeln und Touristen aus Ãbersee europäische Zahnheilkunde präsentieren: ÂLinke Seite siehte man alte dicke Backezahn, stehte unter Denkemaleschutz, auch wenne scho halb kaputt.Â
ÂHerr Glumm..? (Räuspern.)
ÂMh..?Â
ÂSagen Sie, haben Sie ihre Mitgliedskarte dabei?Â
ÂJa, natürlichÂ, sag ich und reiche das Kärtchen rüber.
Jedes Mal, wenn die Sachbearbeiterin aufsteht und zum Kopierer geht, sie ist trotz Pumps kaum grösser als eins Sechzig, streicht sie ihren Rock glatt. Das ist auch der Grund, warum ich die Unterlagen nur stoÃweise und nach und nach herausrücke. Damit ich was zu sehen kriege für mein Geld.
Welches Geld eigentlich?
ÂDie Karte brauche ich aber zurückÂ, sage ich mit Nachdruck.
ÂNatürlich, die kriegen Sie ja auch zurück."
Sie blickt griesgrämig in den Raum und streicht sich beim Weggehen den Rock glatt. Ich verfolge ihre Beine. Ihren Gang. Von wegen, man soll seinem Gegenüber zuerst in die Augen blicken. Oder auf die Hände. Den Hintern. Oder hier, die Titten. Was auch immer. Alles Humbug. Entscheidend ist allein der Gang. Am Gang sollst du sie erkennen.
Die Gräfin hat mal bemerkt, ich würde beim Gehen meine O-Beine in die Welt werfen, als wären es Sensen, die hohes Gras suchen, um darin Unfrieden zu stiften. Oder eine Revolution anzuzetteln. Oder was anderes. Hauptsache was mit Zetteln. Das kann schon sein. Man selber weià es ja nicht. Man geht eben. Man macht einen Schritt und dann noch einen. Woher soll man da wissen, wie das von AuÃen aussieht.
ÂDeine Beine gehören auf die ErdeÂ, sagt sie. ÂDass du mit Raumschiff Enterprise und Käptn Kirk nie was anfangen konntest, wundert mich nicht. Du bist kein Typ für Science Fiction. Und: ÂIn Zukunft wird sich die Menschheit aufteilen. Da sind die einen, die auf der Erde bleiben wollen, um unsere Schöpfung zu bewahren, das sind die Konservativen. Und die anderen schippern ins Universum, besiedeln einen Planeten und fangen noch mal bei null an, das sind die Revolutionäre", sagt sie. "In Zukunft muss sich jeder Mensch entscheiden, zu welcher Gruppe er gehören will. Ich will zu den Sternen.Â
ÂIch bleib hierÂ, sag ich.
Die kleine Sachbearbeiterin dagegen hat sich noch nicht entschieden. Sie geht nicht durch die Welt, nein, sie rollt auf nudeldicken Knien durch das GroÃraumbüro der Ortskrankenkasse. Aber die Gelassenheit, mit der sie keine Minute später zurückkommt und in ihren Drehstuhl fällt  ich muss schon sagen, für eine Sachbearbeiterin, allerhand.
An den hinteren Service-Tischen telefoniert eine andere AOK-Tante in einer Lautstärke, man kriegt jedes einzelne Wort mit. Ihr Gesicht, länglich und viereckig wie ein Besteckkasten, ist mir schon beim Reinkommen aufgefallen - es kam mir irgendwie bekannt vor. Als hätte ich mir da heut Morgen schon ein Messerchen rausgeholt, aus dem Besteckkasten. Fürs Frühstück.
ÂBITTE..? WAS WOLLEN SIE..??! ruft die Mitarbeiterin entgeistert in den Telefonhörer. Die Person am anderen Ende der Leitung scheint eine renitente Person zu sein. ÂSIE WOLLEN GELD, KLAR. DAS WOLLEN ALLE, DIE HIER ANRUFEN, LOGISCH. ABER WELCHES GELD WOLLEN SIE?Â
Fast könnte man glauben, der Anruf käme von einem der drei stadtbekannten Rocketta-Brüder: einfach mal bei der lokalen Krankenkasse anklingeln und nach ein paar Scheinchen fragen. Kann ja nicht schaden.
ÂWIE BITTE?! WAS WOLLEN SIE, FLIEGERGELD?? WAS SOLL DAS DENN SEIN Â FLIEGERGELD!?Â
Meine persönliche Sachbearbeiterin, die mit den Knien, die gerade Zahlenkolonnen eintippt, die irgendwie mit mir zu tun haben, schaut sich neugierig zur Kollegin um. Die tippt sich wiederholt an die Stirn, für alle Anwesenden gut sichtbar. Ihr Mund formt tonlos das Wort FLIEGERGELD. Plötzlich drückt sie ihr Kreuz durch.
ÂMOMENT.. ODER MEINEN SIE ETWA PFLEGEGELD?! NATÃRLICH! SIE BRAUCHEN PFLEGEGELD! ICH VERBINDE..Â
Während ich fast Beifall bekunden möchte, so froh bin ich, dass sich die Sache zum Guten gewendet hat, scheinen andere anwesende Versicherte der Ortskrankenkasse von dem ganzen fernmündlichen Disput kaum etwas mitgekriegt zu haben, man ist zu sehr ins eigene Leid verstrickt.
ÂFräulein, mir geht es nicht gut. Ich habe die Seuche.Â
Meine Sachbearbeiterin schmunzelt. Ihr kleiner, aber voluminöser Mund schiebt sich in die Breite, als wäre er ein Schiffchen, das in die Welt will. Ehrlich gesagt, mir egal. Hauptsache, meinem Antrag auf Kostenübernahme wird soweit entsprochen.
ÂWann ist die Kohle auffem Konto? frag ich.
ÂWird noch heute angewiesen.Â
Super Sache.
ÂDarf ich dann noch um das Bonusheft bitten? fragt sie, ohne den Blick zu heben.
ÂDas.. Bonusheft? Ich wusste es, der Pferdefuà kommt noch.
ÂJa, Bonusheft. Für die letzten Jahre. Haben Sie es nicht dabei?Â
Es gibt Antworten, auf die muss selbst eine Sachbearbeiterin der Ortskrankenkasse lange warten, doch wenn sie dann kommt, schwingt sie einem entgegen wie ein dampfendes Weihrauchgefäà im Dom, eine wahrhaft kathedrale Antwort.
ÂNee.Â
Beim Rausgehen klapse ich mir ungezwungen auf den Hintern. Soll die Tante ruhig sehen, was sie verpasst hat: einen schönen männlichen Körper, der ein einziges klitzekleines Manko hat: dass ich es bin, der drinsteckt.