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Channel: Vom räudigen Leben, der Wucht & dem Nimbus
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Frankyboy

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Samstagmittag. Ich bin mit dem Hund auf dem Korkenzieher unterwegs, einer ehemaligen Eisenbahntrasse, die zum Fußgänger- und Radweg umgebaut wurde und sich am Rande der Stadt von Ortsteil zu Ortsteil schlängelt, in Korkenziehermanier. Es ist brüllheiß. Nirgends Schatten. Vielleicht wären wir besser daheimgeblieben. So kurz vorm Vollmond hält man am besten die Füße still, weiß man doch.

Ein Mädchen bleibt stehen, um seinem Jagdhund Gelegenheit zu geben, Frau Moll zu beschnüffeln, doch der durchtrainierte junge Rüde macht einen müden Eindruck. Auch Frau Moll ist es viel zu warm, um Begeisterung aufzubringen.

“Na, das ist ja klar! Wo der Glummi ist, sind auch die Frauen!" höre ich hinter mir ein Gackern, das mir bekannt vorkommt.

Frankyboy bringt sein Mountainbike direkt neben mir zum Stehen und lässt eine weitere Kostprobe seiner Ziegenlache hören - eine gemäßigte Kostprobe. Ich habe ihn schon lachen gehört, da glaubten sich alle Umstehenden von scheißenden Monsterziegen umzingelt.

Von daher.

Oder hier, vor nicht mal einer Woche in der Sparkasse. Ich stehe am Schalter an, kommt von der Seite eine herrische Stimme: „NA GLUMMI, ALTES HAUS, WOLLSTE TATAS HOLEN!?“

“Frankyboy”, sage ich und schüttle seine Hand. “Hör mal, die Zeiten sind vorbei, wo Frauen wegen mir stehen bleiben. Die bleiben stehen, weil ich einen wuscheligen Hund hab, den sie mal streicheln dürfen. Alles Taktik.”

“Scheiß drauf”, kräht Franky. “Im Alter spielt man auf Ergebnis, weißt du doch! Nur das Ergebnis zählt, wenn man in die Jahre kommt! Ist doch so! Oder nicht?”

Franky gehört zu den Kalibern, die irgendwie immer gleich sind, wenn sie einem übern Weg laufen. Leute wie er werden einfach nicht älter. Franky sieht im Prinzip genauso aus, wie er schon 1990 aussah, als wir gemeinsam mit dem dicken Hansen unseren Dreißigjährigen feierten. Wir drei Jungfrau-Geborenen. Wir drei Ratten. Metall-Ratten. Einziger Unterschied: Damals sind die Weiber tatsächlich noch wegen uns Jungs stehen geblieben und nicht wegen einem wuscheligen Hund an meiner Seite.

"Und? Wohin, Franky?"

“Na, ich bin mit meinen Neffen unterwegs, die sind mit ihren Inlinern schon voraus. Ich muss schleunigst hinterher, sonst sind die beiden gleich über alle Berge. Also, mach‘s gut, Glummi!”

Er springt aufs Rad und tritt in die Pedale, während das junge Mädchen, das von Franky zunächst irritiert war und in die Sonne blinzelte, zurück in ihre Lethargie fällt. Und die beiden Hunde? Na ja, nichts. Hunde verabschieden sich nicht, Hunde sagen niemals tschö, Hunde gehen weiter, fertig. Aus.

“Schönen Gruß zu Hause!” höre ich Franky meckern.

Typen wie Franky finde ich gut. Oder Gangster, die Spaß verstehen. Die sich erst kaputtlachen, bevor sie einen erschießen. So Typen finde ich auch gut.

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