
Es sind ja nicht die Sätze, die vor Kraft kaum laufen können und einem sofort ins Auge springen wie durchtrainierte Athleten, es sind eher die eingeschobenen kleinen Nebensätze, das Volk der cleveren kleinen Sherpas, die Unterstützer-Szene, die den ganzen Ballast trägt und der man zunächst, auch als Schreiber, zu wenig Beachtung schenkt, die aber den Ton einer Story vorgibt. Den Takt. Den Herzschlag. Den Blutzoll.
Genau das sind die Sätze.
*
Mit einer der unheimlichsten Film-Szenen der Film-Geschichte endet Der Pate, Teil II. Jedes Mal, wenn der Film im Fernsehen wiederholt wird, schalte ich kurz vor dem Ende ein. Ich muss mir das Ende immer und immer wieder ansehen.
Die Szene: Der zunächst in Ungnade gefallene und dann von Clan-Chef Michael Corleone (scheinbar) wieder in die Familie aufgenommene Bruder Fredo fährt im Morgengrauen zum Angeln raus. Mit im Kahn sitzt Al, einer der Untergebenen des Mafiaclans, ein eher unscheinbarer Crack, der es gewohnt ist, still seinem Handwerk nachzugehen.
Die Kamera ist nun abwechselnd im Bootshaus, wo Clan-Chef Michael Corleone zum Fenster hinausschaut, und draussen auf dem ruhigen See.
Der Himmel um diese frühe Uhrzeit ist grau und betonschwer, im Hintergrund spielt die unheilvolle Musik von Ennio Morricone.
ÂGebenedeit ist die Frucht deines Leibes..Â, hört man Fredo beten, den Verräter, bevor ein vom Zuschauer ebenso erwarteter wie befürchteter einzelner Genickschuss übers Wasser peitscht. Der Kahn gerät ins Schaukeln, ein Vogel kreischt zwei unvergessliche Male, eng verwoben mit zwei dunklen Akkorden.
*
Weisst du, warum dicke Menschen nicht gut gelitten sind in der Gesellschaft?
Weil es für jeden offensichtlich ist, dass sie sich im Leben zu viel herausgenommen haben.
 Die Gräfin Â
*
Immer weniger Menschen können gut zuhören, warum? Weil sie in Gedanken schon vorformulieren, was sie selber sagen wollen  genau das ist die Crux unserer Tage. Und am Ende der Tod der Demokratie.
*
Mit 50 hat man die Weltkarriere im allgemeinen schon hinter sich. Ich nicht. Wie immer liegt darin die Komik, und lauter Missverständnisse.
*
Einen Monat vor ihrem Tod Weihnachten 2010 feierte Mutter ihren 83. Geburtstag in der St. Lukas Klinik. Wir hatten einen groÃen Tisch in der Cafeteria gedeckt und ein bisschen dekoriert. Während die Familie schon Platz nahm, fuhr ich mit dem Aufzug hoch zur Station, um Mutter abzuholen.
Auf dem Gang kam mir der Tod entgegen, ein Vorbote - ein junger Bursche, blond, keine zwanzig Jahre alt, völlig aufgelöst und verzweifelt. Er kam gerade von der selben Station, auf der auch Mutter lag, und er hatte schlechte Neuigkeiten bekommen. Er machte sich ganz dünn, hielt sich nahe der Flurwand, wo ihn ausser mir niemand zu bemerken schien.
In Situationen, wo das Leben sich plötzlich und unerwartet zum Drama verdichtet, versuche ich mich stets zu vergewissern, ob es einen Gewährsmann gibt, ob ich einen Zeugen habe. Jemanden, der das Erschrecken in seinem Gesicht, sein ebenso ton- wie bodenloses Schluchzen ebenso wie ich beobachtet. Und diese Eile, mit der fortstrebt von der Station, von der schlechten Nachricht.
Ich werde diesen Jungen nie wiedersehen, dachte ich. Er hetzte der Wand entlang. Er bebte vor meinen Augen. Er floh von der Station, auf der auch Mutter lag.
Ich klopfte nicht an. Ich stieà die Tür auf. Sie saà im Rollstuhl und wartete bereits. Tags zuvor war sie mit meiner Schwester beim Krankenhaus-Coiffeur gewesen, extra für den Geburtstag, sie sah richtig schick aus. Ein hübsch gemachtes GroÃmütterchen.
ÂDa bist du ja endlich.Â