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Channel: Vom räudigen Leben, der Wucht & dem Nimbus
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Zurück zum Rauchen

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Seit dem 1. Mai hat NRW das strengste Nichtrauchergesetz deutschlandweit. Ausser zu Hause darf man so ziemlich nirgendwo mehr ungestraft die eigene Lunge in Schutt und Asche legen. Und genau zu dem Zeitpunkt kommen wir auf den Plan und hören mit dem Rauchen auf. 

Sagen wir, wir haben es vorübergehend eingestellt. So genau weiss man das ja nie, und vielleicht ist es dafür auch einfach noch zu früh, um so zu reden. Nur weil man mal vier Monate lang keine Kippe im Maul hatte, ist man nicht gleich Nichtraucher, nach über 30 Jahren Qualmerei. Wir sind Raucher, die nicht rauchen. Wir sind Raucher, die zur Zeit nicht rauchen.

Ich wegen dem Herzinfarkt vor 12 Monaten, sie wegen überhaupt.

Seit Silvester hab ich keine Zigarette mehr angepackt, nicht mal gezogen hab ich an einer. Nur trocken geraucht, mit der letzten übrig gebliebenen Selbstgedrehten. Ich lass sie über die Lippen rollen und hin und hertanzen, ohne sie anzuzünden, ich huldige dem scharfen, leicht strohigen Tabakgeschmack auf der Zunge, während ich am Schreibtisch sitze und in die Tastatur hacke.

Ich bin ein schneller und lauter, ich bin ein gieriger Hacker. Man nennt mich auch Ein Finger Joe, bekannt aus Bars & Blogs, der Schnelltakter unter Deutschlands Schreibern: die Frisur hochgeföhnt vom Internet-Wind, Kippe im Maul und immer angespornt vom Hund, der unterm Schreibtisch liegt und vor sich hinschnarcht.

Wo wir gerade dabei sind: Frau Moll hat mal wieder ihre Frühjahrsschwierigkeiten. Es ist Jahr für Jahr das gleiche, auch wenn sie längst kastriert ist. Wenn der Mai kommt, wenn es warm wird und die Schmetterlinge schwofen, sorgt sie sich um ihre Bikinzone. Ob es da auch schön stinkt, so wie es der gemeine deutsche Rüde nun mal gern hat.

Keine Sorge, Babe, sag ich. Passt schon.

Zurück zum Rauchen. Es fing vor über einem Jahr damit an, dass wir zu Hause nicht mehr rauchten, dass man für jede Kippe vor die Tür verbannt wurde, auf Druck der Gräfin. Sie mochte den Gestank nicht mehr, sie ertrug ihn nicht mehr. Sie bekam davon schlechte Laune und Kopfschmerzen.

Statt morgens im Bett eine zu paffen, setzte sie sich nun hin, stopfte sich das Kissen in den Rücken und begann Musik zu machen, mit einem zerkauten Bleistiftfummel und einem Haushaltsgummi.

"Pass auf, jetzt..! Die Free Jazz-Passage..!!"

Während sie zuletzt zwischen einer und drei Kippen pro Tag pendelte, kam ich noch auf maximal sechs oder sieben. Das war jetzt auch nicht die Welt, und so gab es keinen körperlich wahrnehmbaren Nikotin-Entzug. Nicht mal die gefürchteten Alpträume traten auf, wo sich Teerbrocken in der Größe von Schiefergestein aus der Lunge lösen und einen erschlagen.

Es gibt aber immer wieder Momente, wo mich die Lust aufs Rauchen fast übermannt und ich dem nächstbesten Raucher am liebsten die Fluppe aus der Fresse reissen möchte, meinetwegen auch mit Filter. Ne HB. Egal. Kippe ist Kippe. Her damit.

Besonders eng wird es, wenn ich mich zu Hause an den Schreibtisch setze. Dann sehne ich mich regelrecht nach Nikotin, nach dem entspannten Zustand, den das Rauchen auslöst, das Einsaugen von Gift, das Ausstoßen.

Einsaugen, ausstoßen.

G-I-F-T!

"Was stinkt das hier so nach Kippen..?" Die Gräfin kommt ins Zimmer. "Hast du gequalmt?"

Nee, hab ich nicht. Es ist anders. Es ist so, dass es sich in der Nachbarschaft herumgesprochen hat, dass wir nicht mehr rauchen, und das passt nicht jedem in den Kram.

Nachbar Lucky etwa, der vis-a-vis wohnt, raucht abends seine letzte Zigarette gern in Gesellschaft, wie oft haben wir abends zusammen gestanden und eine gequarzt. Und plötzlich falle ich weg. Komme abends nicht mehr vor die Tür. BIN JETZT NICHTRAUCHER! (Ich stelle mich ja abends nicht auf den Dürpel und glotze ihm heimlich auf die glühende Lulle, da bleibe ich lieber drin mit meinem Hintern.)

Also hat Lucky einen perfiden Plan ausgeheckt, er versucht uns wieder anzufixen. Mehrmals am Tag sieht man ihn neuerdings allein vorm Haus, eine Zigarette in Arbeit. Doch kaum hat er einige Züge genommen, schnippt er die nicht mal halb aufgerauchte, noch glimmende Zigarette ins Gestrüpp, von wo aus der Qualm peu a peu in unsere Bude einsickert, unter der Türe her, durch die Fensterritzen, überall findet der Dunst seinen Weg. Und ich Dussel sitze am Schreibtisch und wundere mich, warum ich plötzlich so einen Kohldampf auf ne Kippe hab!


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