Sandy war so fertig, so geschlaucht von der Trinkerei, ihre Leber spielte nicht mehr mit. Die halbe Flasche Schnaps, die sie morgens brauchte, um nur den Pegel aufzufüllen, um überhaupt die Hände ruhig zu kriegen, bekam sie nicht mehr runter, ohne alles wieder auszukotzen. Sie brauchte jeden Morgen einen zweiten Start, um den Schnaps drin zu behalten.
ÂJe ne regrette rien? Dass ich nicht lache. Ich bereue alles..! ALLES!Â
Sie hatte seit Wochen kaum noch gegessen, war abgemagert auf 52 Kilo. (Wovon alleine fünfzehn Kilo Wasser waren, wie sich im Krankenhaus später zeigen sollte.) In dieser Zeit liess sie sich kaum noch blicken, Sandy schloss sich zum Trinken zu Hause ein. Aus einer einstmals rätselhaft schönen, etwas blassen Frau, die an Jeanne Moreau erinnerte, war ein krankes Geschöpf geworden.
ÂDu hast überhaupt keinen Arsch mehr in der HoseÂ, sagte ich hochmütig, als sie mir einmal über den Weg lief, ich hatte ja keine Ahnung, dass sie so schwer am Saufen war, andererseits: Wer in den Neunzigern nicht nach irgendetwas süchtig war, der war auch nicht dabei. Der muss sich irgendwo versteckt haben, wo die Neunziger nicht hinreichten.
Die Neunziger waren nichts als ein langer finsterer Korridor. Wer dieses Jahrzehnt durchlief, ohne durchzudrehen, hatte gewonnen: das nächste beschissene Jahrtausend.
Die Aufnahme im Städtischen Klinikum gestaltete sich als schwierig. Sandy hatte einen Einweisungsschein von ihrem Hausarzt, den sie in der Ambulanz vorzeigte. Der diensthabende Oberarzt wurde gerufen, er überflog die Einweisung, las von Alkohol- und Drogenabusus, reichte den Schein zurück, murmelte ÂNehmen wir nicht.. und rauschte mit wehendem Kittel davon.
Sandy: ÂIch hinterher, zwei dicke Koffer in den Händen.Â
ÂIch hab hier einen Einweisungsschein, Sie MÃSSEN mich aufnehmen..! Ich bleibe solange hier sitzen, bis ich schwarz werde..! Ich geh hier nicht weg!Â
ÂNa, denn viel Erfolg.Â
Der Arzt verschwand, Sandy nahm Platz vor seinem Büro. Eine halbe Stunde liess sich niemand blicken, dann kehrte der Oberarzt zurück. Er warf einen Blick auf die Frau.
ÂImmer noch hier?Â
ÂImmer noch hierÂ, sagte sie.
Nach einem weiteren Disput, (ÂWir haben kein Bett frei für Neuaufnahmen! ÂDann schlafe ich auf dem Gang! ÂDas dürfen Sie nicht! ÂIst mir egal. Sie dürfen mich auch nicht abweisen. Sie müssen mich aufnehmen.. etc.) gab der Doktor zähneknirschend nach.
ÂNa schönÂ, knurrte er. ÂFolgen Sie mir.Â
Den Weg zur Inneren hätte man bequem per Aufzug bewältigen können, doch der Oberarzt dachte gar nicht daran. Er liess Sandy hinter sich her stolpern, einen Koffer links, einen Koffer rechts, dazu ihr beginnender Alkohol-Entzug. Sie hatte früh am Morgen gerade so viel Wodka reingekriegt, um sich auf den Beinen halten zu können. Der Arzt nahm das Treppenhaus, flog voran mit flinkem Schritt, Sandy mühsam hinterher, aber sie dachte nicht daran aufzugeben. ÂDann hätte ich ihm ja nur in die Hände gespielt.Â
Sie sprüht Funken, als sie davon erzählt.
ÂDer Arsch hat mir jede, wirklich JEDE Zwischentür vor der Nase zugeschlagen, immer in der Hoffnung, ich würde den Anschluss verlieren und aufgeben, da hatte er aber nicht mit mir gerechnet. Anstatt mich zu entmutigen, aktivierte ich meine letzten Reserven, das war so etwas wie meine letzte groÃe Mobilmachung: ich flog alle paar Meter fast auf die Fresse, so fertig war ich, aber irgendwann hatten wir die verdammte Station erreicht. Mir lief die Suppe so runter.Â
Sie blieb zwölf Tage, zwölf Nächte, die alles andere als eine Belohnung für ihre Hartnäckigkeit waren. Nicht nur von den Ãrzten, auch vom Pflegepersonal wurde sie gemieden, wo es nur ging  mit vom Schnaps ruinierten Weibern will niemand etwas zu tun haben. Trotz des vielen Wassers in ihrem Körper bekam sie in der ganzen Zeit nicht eine einzige Entwässerungstablette, was die Aufnahmeärztin des LKH Langenfeld, Sandys nächster Station, zu der entsetzten Fragestellung verleitete: ÂWas zum Teufel hat man denn zwölf Tage lang in diesem Krankenhaus mit Ihnen gemacht!??Â
ÂNichts.Â
ÂJa, seh ich auch so.Â
Aber sie hat durchgehalten. Nicht diesen ersten Versuch, der schlug fehl, aber den zweiten Alkoholentzug hat sie bestanden, in einer feinen Essener Klinik. Seither ist Sandy clean. Seit acht Jahren.
Spielt sie wieder Nouvelle Vague.
ÂJe ne regrette rien? Dass ich nicht lache. Ich bereue alles..! ALLES!Â
Sie hatte seit Wochen kaum noch gegessen, war abgemagert auf 52 Kilo. (Wovon alleine fünfzehn Kilo Wasser waren, wie sich im Krankenhaus später zeigen sollte.) In dieser Zeit liess sie sich kaum noch blicken, Sandy schloss sich zum Trinken zu Hause ein. Aus einer einstmals rätselhaft schönen, etwas blassen Frau, die an Jeanne Moreau erinnerte, war ein krankes Geschöpf geworden.
ÂDu hast überhaupt keinen Arsch mehr in der HoseÂ, sagte ich hochmütig, als sie mir einmal über den Weg lief, ich hatte ja keine Ahnung, dass sie so schwer am Saufen war, andererseits: Wer in den Neunzigern nicht nach irgendetwas süchtig war, der war auch nicht dabei. Der muss sich irgendwo versteckt haben, wo die Neunziger nicht hinreichten.
Die Neunziger waren nichts als ein langer finsterer Korridor. Wer dieses Jahrzehnt durchlief, ohne durchzudrehen, hatte gewonnen: das nächste beschissene Jahrtausend.
Die Aufnahme im Städtischen Klinikum gestaltete sich als schwierig. Sandy hatte einen Einweisungsschein von ihrem Hausarzt, den sie in der Ambulanz vorzeigte. Der diensthabende Oberarzt wurde gerufen, er überflog die Einweisung, las von Alkohol- und Drogenabusus, reichte den Schein zurück, murmelte ÂNehmen wir nicht.. und rauschte mit wehendem Kittel davon.
Sandy: ÂIch hinterher, zwei dicke Koffer in den Händen.Â
ÂIch hab hier einen Einweisungsschein, Sie MÃSSEN mich aufnehmen..! Ich bleibe solange hier sitzen, bis ich schwarz werde..! Ich geh hier nicht weg!Â
ÂNa, denn viel Erfolg.Â
Der Arzt verschwand, Sandy nahm Platz vor seinem Büro. Eine halbe Stunde liess sich niemand blicken, dann kehrte der Oberarzt zurück. Er warf einen Blick auf die Frau.
ÂImmer noch hier?Â
ÂImmer noch hierÂ, sagte sie.
Nach einem weiteren Disput, (ÂWir haben kein Bett frei für Neuaufnahmen! ÂDann schlafe ich auf dem Gang! ÂDas dürfen Sie nicht! ÂIst mir egal. Sie dürfen mich auch nicht abweisen. Sie müssen mich aufnehmen.. etc.) gab der Doktor zähneknirschend nach.
ÂNa schönÂ, knurrte er. ÂFolgen Sie mir.Â
Den Weg zur Inneren hätte man bequem per Aufzug bewältigen können, doch der Oberarzt dachte gar nicht daran. Er liess Sandy hinter sich her stolpern, einen Koffer links, einen Koffer rechts, dazu ihr beginnender Alkohol-Entzug. Sie hatte früh am Morgen gerade so viel Wodka reingekriegt, um sich auf den Beinen halten zu können. Der Arzt nahm das Treppenhaus, flog voran mit flinkem Schritt, Sandy mühsam hinterher, aber sie dachte nicht daran aufzugeben. ÂDann hätte ich ihm ja nur in die Hände gespielt.Â
Sie sprüht Funken, als sie davon erzählt.
ÂDer Arsch hat mir jede, wirklich JEDE Zwischentür vor der Nase zugeschlagen, immer in der Hoffnung, ich würde den Anschluss verlieren und aufgeben, da hatte er aber nicht mit mir gerechnet. Anstatt mich zu entmutigen, aktivierte ich meine letzten Reserven, das war so etwas wie meine letzte groÃe Mobilmachung: ich flog alle paar Meter fast auf die Fresse, so fertig war ich, aber irgendwann hatten wir die verdammte Station erreicht. Mir lief die Suppe so runter.Â
Sie blieb zwölf Tage, zwölf Nächte, die alles andere als eine Belohnung für ihre Hartnäckigkeit waren. Nicht nur von den Ãrzten, auch vom Pflegepersonal wurde sie gemieden, wo es nur ging  mit vom Schnaps ruinierten Weibern will niemand etwas zu tun haben. Trotz des vielen Wassers in ihrem Körper bekam sie in der ganzen Zeit nicht eine einzige Entwässerungstablette, was die Aufnahmeärztin des LKH Langenfeld, Sandys nächster Station, zu der entsetzten Fragestellung verleitete: ÂWas zum Teufel hat man denn zwölf Tage lang in diesem Krankenhaus mit Ihnen gemacht!??Â
ÂNichts.Â
ÂJa, seh ich auch so.Â
Aber sie hat durchgehalten. Nicht diesen ersten Versuch, der schlug fehl, aber den zweiten Alkoholentzug hat sie bestanden, in einer feinen Essener Klinik. Seither ist Sandy clean. Seit acht Jahren.
Spielt sie wieder Nouvelle Vague.