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Channel: Vom räudigen Leben, der Wucht & dem Nimbus
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Aus ihrer Haut heraus kommt nur die Schlange

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Ich mag Menschen, die einem das Gefühl vermitteln, die Ruhe der ganzen Welt würde sich in ihnen breitmachen.

Nicht, dass ich einen kennen würde.

*

"Wie lange ist Scheiblettenkäse denn haltbar..?"

Wir hatten vor einiger Zeit Heißhunger auf Hawaii-Toast, dafür brauchte es unbedingt Scheibletten-Käse, doch mehr als die Hälfte der Packung blieb übrig und steht sich seither im Kühlschrank die Beine in den Bauch.

"Ach, der ist ewig haltbar", sag ich. "Ich schätze sowieso, das sind Restbestände aus alten Louis de Funes-Filmen aus den 60ern, die heute noch im Supermarkt verkauft werden."

"Dann hält er sich noch, meinst du?"

"Ja. Der hält noch."

*

Ist ja kein teurer Charakterkäse, der schnell in Arsch geht.

*

Den alten Notizbüchern meines Vaters haftet ein lockerer Schweißgeruch an, wie original abgefüllt von kanadischen Holzfällern, die von vier Wochen Jahresurlaub die letzten dreieinhalb Stunden in Baton Rouge auf den Kopf hauen.

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Aaahh.. die Welt geht unter! Genau!! Da blühen die Geschäfte!!!

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Das Herz einer Fledermaus schlägt 1000mal in der Minute. Das Herz einer Fledermaus ist ein sehr leises Schnellfeuergewehr, Fledermausblut ist seine Munition.

*

Aus ihrer Haut heraus kommt nur die Schlange.

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Ich habe in der Nacht zufällig einen schönen iranischen Spielfilm gesehen, „Das Lied der Sperlinge“ aus dem Jahre 2008. Es war wie im Märchen, die Bilder aus der Großstadt Teheran, wo Zehntausende von Motorradfahren in den Straßen unterwegs sind, ohne Helm, mit flatterndem Hemd. Bilder, wie es sie hierzulande noch in den Siebzigern gab. In Belgien sogar noch 2007. Hab ich genau gesehen, aus dem Auto heraus. In einem kleinen Kaff namens Nazareth. Aber in Belgien. Flatternde adidas-Hose, dickes Moped, weit und breit kein Helm.

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Da war dieses strenge Blumenkind mit langem dünnen blonden Haar, das ich aus der Teestube an der Kasernenstraße kannte. Ein ungemein blasses Geschöpf, nahe am Albino. Sie hatte einen Freund, der war ziemlich klein und hatte dünnes langes schwarzes Haar und fuhr Moped. Er also vorn mit dem flatternden dunklen Haar, sie auf dem Sozius mit ihrem flatternden blonden Haar und ihrem flatternden Maxi-Rock. Die langen Haare wie Seidenvorhänge im Wind, beide Rücken gerade durchgedrückt, die Matten geapfelshampoot.

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Was auch immer in meinem Leben geschieht, es tritt mit Verzögerung ein. Wenn Eric Clapton der Mister Slowhand des britischen Bluesrock ist, bin ich der Herr Langsamstift an den Buchstaben.

„Red nicht. Du bist das Faultier unter den Schreibkräften“, sagt sie.

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Worte wie Modul und Cluster gehen mir auf den Sack, Worte, denen Coolness anhaftet und die doch nichts bedeuten, die keinen Inhalt haben, nicht wirklich jedenfalls, die irgendwann gegen die Wand fahren und abgelaufen sind, Worte, wie in den Nullkorridor der deutschen Sprache gedrückt.

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„Wie heißt das noch..?"

"Was meinst du..? Wie heißt was?"

"Na, was die meisten Menschen haben.. die haben doch eine… eine…. na, wie nennt man das noch mal.. diese Memoryschleife.. also alles, was bisher geschah… ist eine…?“

„Hm..? Vergangenheit?“

„Genau! Eine Vergangenheit!“

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Samstagabend. Es ist dunkel. Auf dem Spielplatz sitzt ein einsamer Teenager auf der Schaukel und schaukelt. Das Handy klopft an. Das bläuliche Licht des Displays schwingt in der Finsternis vor und zurück wie ein betont höfliches UFO, das JETZT keine Fehler machen will. Nicht beim Schaukeln.

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Es gibt Dinge auf Erden, die sollten einem klar sein. Etwa die Tatsache, dass auch das teuerste und exklusivste und prominenteste Captains Dinner der Welt am Ende nichts anderes ist als der Vorläufer einer dicken fetten Portion Fäkalien, die in die Kloschüssel klatscht und stinkt.

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Die Heizperiode geht los. In den Heizkörpern grollt und bläst die Luft, wie im Straflager. Allerdings nicht in unseren. Der Heizkessel ist nämlich kaputt. Er gibt keinen Mucks mehr von sich. Ein neuer muss eingebaut werden. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. „Wir haben brutal viel zu tun“, stöhnt der zuständige Klempnermeister, den ich kontaktiere. Der Schornsteinfeger ist ebenfalls involviert in den Neu-Einbau. Er hat gute Zähne. Vielleicht fällt das Weiß seiner Zähne auch nur deshalb so brutal gut auf, weil alles andere an ihm kohlrabenschwarz ist. Ein cleveres Bürschchen.

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Ich: „He! Es ist schon viertel vor zehn!“

Sie: „Bei dir vielleicht, du Penner.“

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