12. Oktober '85
Das Wochenende durchgesoffen. Mumms, Daddy, Getaway, das ganze Programm. Montagfrüh werde ich völlig zerstört wach. Ich bin so groggy, dass ich eine geschlagene halbe Stunde auf dem Bettrand hocke und dumpf ins Nichts stiere. In meinem Schädel dröhnt ein Moped, das Gewebe schmerzt bis in bis dato unbekannte Kammern. Wie groß und schwach so ein Körper werden kann, wenn er plötzlich ohne Alkohol zurecht kommen muss.
Ich lasse eine Badewanne einlaufen, stelle die Klingel ab, das Telefon leise. Außer Stille und heißem Wasser kann ich nichts ertragen. Bewegungsloses Versumpfen in der Emaille, den Blick starr zur Decke gerichtet, die Nerven ein Trümmerfeld. Zwischendurch heißes Wasser nachlaufen lassen, so lange, bis ich vergesse Wasser nachzulaufen zu lassen, vor lauter Kaputtheit. Wenn ich mich dann bewege und etwas vom Badewasser schwappt gegen den Bauch, bibbere ich erbärmlich.
Nach zwei Stunden steige ich aus der Wanne, die Haut in Runzeln, eine unangenehme Spätgeburt. Beim Abtrocknen fällt mein Blick ins Saunatuch. Da sind zwei schwarze Flecke. Da sind noch mehr Flecke, drei, vier Flecke, groß wie Hühnereier. Ich bekomme einen Riesenschreck und schaue in den Spiegel, versuche etwas zu erkennen im von Wasserdampf beschlagenen Bad, spüre diesen eigenartig warmen Geschmack im Mund und in der Nase - der Geschmack von Blut, von warmem Eisen. Blut rinnt durch mein Gesicht, tropft ins Saunatuch. Mir wird schwindlig. Es ist, als würde ich auf einem erhöhten Treppchen stehen und mich entgeistert beobachten.
Ich drehe kaltes Wasser im Handwaschbecken auf, schütte es mir ins Gesicht, während das Blut die ganze Zeit lustig weitertropft, auf den Boden, ins Waschbecken, ins Saunatuch. Ist nur Nasenbluten, versuche ich mich zu beruhigen, ist doch nur Nasenbluten, nichts schlimmes, das passiert.
Nasenbluten reinigt.
Es ist Montagmorgen, und ich spucke ruhig Blut.